Mittwoch, 27. September 2006

was man hier so lernt

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Man geht ja vor allem deshalb ins Ausland, weil man erstaunliche Faehigkeiten hinzulernen moechte.

Der Typ neben mir ist uebrigens Christopher "MacGyver" W., der talentierteste Chauffeur, Fotograf und Survival-Experte in unseren Reihen.

Samstag, 23. September 2006

Versteh einer die Iren II

Eigentlich ist es ja schon ziemlich doof, nach Irland zu gehen, um Germanistik zu studieren.
Aber ich studiere eben Germanistik, und ich wollte halt nach Irland.
Von First-Year-Seminaren wird mir abgeraten, denn das sind größtenteils Sprachseminare, in denen die Iren wahrscheinlich den Unterschied zwischen Imperfekt und Perfekt lernen mussten/ gelernt haben, sowie den Umgang mit den ganzen Hilfsverben („hätten können zu sein“) und wahrscheinlich müssen sie auch Ablautreihen lernen, so wie ich im Grundstudium, hähä.

In den Third-Year-Seminaren allerdings wird tatsächlich auch über Literatur gesprochen. Ich habe eins belegt mit dem Namen „Wiener Moderne“, weil mir diese Bezeichnung, wie ich zu meiner Schande gestehen muss, überhaupt nichts sagt.
Darin geht im Moment vor allem darum, Fräulein Else von Arthur Schnitzler zu lesen und sich darüber zu unterhalten. Was jetzt daran besonders wienerisch und modern sein soll, hab ich allerdings noch nicht begriffen.

Der Dozent ist Deutscher, ein harmlos wirkender Lehrertyp von unbestimmbarem Alter.
Es ist Mittwochnachmittag.
Der Dozent holt weit aus, schreibt das Wort „Pietismus“ an die Tafel. Dann setzt er an zu einer langen Rede über den Unterschied zwischen evangelischer und katholischer Frömmigkeit, und nach ein paar Sätzen begreife ich ungefähr, worauf er hinauswill:
„Fräulein Else“ ist ein Innerer Monolog, in dem das Fräulein meistens über sich selbst nachdenkt. Sich selbst gedanklich zu zerlegen war im 19. Jahrhundert üblich, und das geht auf den Pietismus zurück, der sagt, dass der Einzelne sich selbst prüfen muss vor seinem Gewissen und vor Gott, oder so ähnlich.

Eigentlich eine ganz harmlose Sache, ein bisschen weltanschaulicher Hintergrund zu dem Buch, das wir im Seminar eben lesen, oder, in meinem Fall, gelesen haben sollten.
Aber der gute Dozent verheddert sich.
In seinem betont deutlichen ich-spreche-mit-Ausländern-Hochdeutsch fängt er an, über den Unterschied zwischen Katholiken und Evangeliken zu philosophieren.
„Der Katholizismus ist ja viel sinnenfreudiger, also, weil die Katholiken ja Weihrauch verbrennen und so, und wenn der Katholik eine Sünde begeht, dann geht er einfach zur Beichte und der Priester sagt Te Absolvo und alles in Ordnung… aber wenn man evangelisch ist, muss man viel besser aufpassen, was man tut, denn wenn man eine Sünde begeht, kann man nicht einfach so beichten gehen, und, äh…. In katholischen Kirchen hängen ja auch viel mehr Bilder.“

Etwas verändert sich. Bis eben saßen die Studentinnen, größtenteils Mädchen Anfang Zwanzig, noch verschlafen auf ihren Plätzen und nippten an ihrem Kaffee und dachten wahrscheinlich darüber nach, ob sie sich neue Schuhe kaufen sollen und ob sie heute Abend mit oder ohne Vorglühen in den Pub gehen sollen, während sie mit halbem Ohr zuhören.
Aber jetzt verändert sich etwas.
Die meisten Seminarteilnehmerinnen sitzen plötzlich hoch aufgerichtet da.

„Äh… in evangelischen Kirchen hängen ja nicht so viele Bilder. Du sollst dir kein Bildnis machen. Für die Evangelischen ist nur die Bibel wichtig, das Wort.
Und für die Evangelischen ist auch nicht so wichtig, wie sie aussehen, sondern, was in ihnen vorgeht. Ob das richtig ist, was sie da machen.“

Die erste Hand schnellt nach oben. Ein Mädchen in der Reihe vor mir. Ich kann ihr Gesicht nur zu einem Viertel erkennen, aber ihre Augen funkeln. Jede Wette.
„Wollen sie damit sagen, Katholiken seien oberflächlicher als Protestanten?“
„Neinnein, ich meinte doch nur… bei den Evangelischen gibt es doch keine Beichte und…“

es ist krieg

Der arme Kerl. Niemand meldet sich mehr, die Studentinnen reden einfach und treiben ihn gnadenlos in die Defensive. Was soll das denn jetzt bitte, sagt ihr Tonfall.
Glaubt der etwa, es wär ein Zuckerschlecken, katholisch zu sein?
Glaubt er etwa, wir dröhnen uns jeden Sonntag mit Weihrauch zu und vögeln die ganze Woche wahllos in der Gegend herum, klauen alten Damen die Handtaschen und blinden Bettlern das Geld aus dem Hut, weil wir als Katholiken schließlich nur zur Beichte gehen müssen, und alles ist wieder in Ordnung?

Ich frage mich, wie viele der Mädels hier in diesem Seminarraum noch richtig hardcore-katholisch erzogen wurden. Ob sie darunter gelitten haben und wie sehr. Wie viele von ihnen immer noch zur Kirche gehen.

Mühsam kann der Dozent sie beschwichtigen: „Ich sage doch nicht, dass das Eine besser ist als das Andere….“
Aber völlig beruhigt sind sie immer noch nicht, und inzwischen sind wir auch völlig vom Thema abgekommen.
Die Diskussion redet sich selber tot, die allgemeine Erregung ebbt ab.

Das Mädchen in der Reihe vor mir verfällt langsam wieder in den üblichen Seminar-Halbschlaf.

Versteh einer die Iren.

Es fällt mir schwer, wieder in meinen Seminar-Halbschlaf zurückzufallen.
Dieses Aufflackern gerade eben hat mich überrascht, obwohl eigentlich damit hätte rechnen müssen. Dass die Iren katholisch sind und jahrhundertelang gegen das protestantische – oder anglikanische – England gekämpft haben, weiß ich doch.
Nur: jeder Ire, den ich bisher getroffen habe, hat mir gesagt, dass der ganze Nordirland-Konflikt erstens nicht mehr so schlimm ist wie früher, weil die Leute es nicht mehr so wichtig nehmen, ob Ulster jetzt dazugehört oder nicht, und zweitens, dass es dabei eigentlich sowieso nicht um religiöse Fragen geht.
Niemand in Irland glaubt noch, dass die protestantischen Ketzer direkt zur Hölle fahren. Kein Ire hat mich je schief angesehen, wenn ich gesagt habe, dass ich evangelisch bin.
Hugh (nein, das ist nicht indianisch für "ich habe gesprochen", sondern ein Eigenname), als ich es ihm erzählte, sah beinah so aus, als wollte er sagen: das ist mir doch wurscht, solange du keine Engländerin bist. Und selbst das wär mir letztendlich egal, solange du dir von mir nur zahlreiche Pints ausgeben lässt, schöne Maid.

Aber allem Anschein nach ist es eben doch nicht egal. Auch im fortschrittlichen säkularisierten Irland können Zwanzigjährige noch sauer werden, wenn ein unbedarfter deutscher Dozent etwas sagt, was irgendwie so verstanden werden könnte, dass er den Protestantismus dem Katholizismus vorzieht.

Der Dozent ist bestimmt Protestant, und nach seinem Tod fährt er direkt zur Hölle.
Und dort muss er dann Ablautreihen lernen bis in alle Ewigkeit.

das_letzte_gericht

Dienstag, 19. September 2006

they look like pirates from here

kapert, maenner, kapert, was das zeug haelt!

Das steht jetzt aber mal ganz oben auf meiner Must-Read-Liste, noch vor dem "Kapital" von Marx und der "Genealogie der Moral" von Friedrich Nietzsche:
The Life and Times of Grace O'Malley.

Dazu passt übrigens auch der International Talk Like A Pirate Day.
Grade laufen überall auf dem Campus Studenten mit Augenklappen herum und rufen "Harrr!"

Montag, 18. September 2006

cliffs of moher

Es ist Montag und das bedeutet, dass gestern Sonntag war, und das wiederum bedeutet, dass Christian und Christopher und ich uns wieder nicht davon abhalten liessen, einen Ausflug in das Umland der schoenen Stadt Galway zu machen. Nur diesmal teilte sich nicht Alex das Benzin mit uns, sondern Benedikt, und wir fuhren auch nicht nach Connemara, sondern in eine Gegend suedlich von Galway, die "The Burren" heisst. Sowohl Christian als auch ich muessen bei dem Namen immer an "The Burrow" denken, das Haus von den Weasleys bei Harry Potter. Natuerlich ist das voelliger Schwachsinn und hat mit der Landschaft auf der Suedseite des Galway Bay rein gar nichts zu tun.

Das Erste, was mir an The Burren auffiel, war dass das keine Schafgegend ist wie Connemara, sondern eine Kuhgegend.

kuehe sind halt doch blutruenstiger als schafe

Dabei musste ich ausnahmsweise nicht an Harry Potter denken, sondern eher an nichtlustig.

Abgesehen von Kuehen gibt es dort aber auch andere Dinge. Zum Beispiel Huenengraeber, die auch "Dolmen" genannt werden, aber ich als Asterix-Leserin sage lieber Huenengrab dazu.

Das Huenengrad in The Burren heisst "Poulnabrone Dolmen" und ist nicht besonders gross, auf jeden Fall kleiner als die Huenengraeber in den Comics, und die Jungs zeigten sich enttaeuscht angesichts von vier Steinplatten, die aneinandergelehnt in der Gegend herumstehen.

klein, aber oho

Was diese Banausen nicht zu schaetzen wussten: das Ding ist 6000 Jahre alt. In Worten: sechstausend Jahre. Stellt euch mal vor, wie lang das ist.
Sechstausend Jahre alt ist der Poulnabrone Dolmen, und damit aelter als Stonehenge und, man hoere und staune, die Pyramiden in Aegypten.
Dieses Huenengrab ist das aelteste Gebaeude, das ich jemals mit meinen eigenen Augen gesehen habe, und ich finde das jedenfalls einigermassen beeindruckend, auch wenn es nicht 500 Meter gross und phallusfoermig ist und auch kein Feuer spucken kann.

Pah.

Spaeter sahen wir uns noch ein "Fort" an (wobei ich sowas auch wieder nicht "Fort" nennen wuerde, weil ich dabei an die hoelzernen Kavallerie-Forts aus den Lucky-Luke-Comics denken muss) (ich sollte weniger Comics lesen), also jedenfalls ein Fort, dass aus einer ringfoermigen Steinmauer besteht, die vor 1000 Jahren einen irischen Bauernhof vor Wind, Wetter und blonden Bestien, i.e. Normannen, schuetzte.

steinkreis

Da dieses Fort aber nur 1000 Jahre alt ist, war ich nicht besonders beeindruckt.
Lustig war aber der Audiovisual-Teil der Fuehrung: in einem winzigen Kino wurde ein animierter Film gezeigt, der das Leben der Leute vor 1000 Jahren in diesem Fort darstellen sollte. Die Grafik war aber so fuerchterlich schlecht, dass wir herzlich lachen mussten, als eine Computer-Schafherde ungefaehr dreimal so schnell wie einer echten Schafherde moeglich ueber den Bildschirm trippelte und dabei "Baaa" rief.
So gesehen hat sich die Fuehrung durchaus gelohnt.

Wir fuhren weiter nach Westen und gelangten an eine Kueste, die vielleicht die meistfotografierte Kueste Irlands ist: die Cliffs of Moher.

cliffs-of-moher

Bei diesem Anblick verstummten unsere Diskussionen ueber Comics, Groessen, Jahreszahlen. Wir waren ja auch erstmal nur damit beschaeftigt, den Mund wieder zu zu kriegen.

wow

Was dann folgte, war ein Nachmittag voller Sauerstoff, fotografierenden Typen, besoffenen Polen (um die ich echt Angst hatte), und langsam nachlassender Tiefenangst.

imagine-what-my-body-would-sound-like

Das Meer wirft sich hier mit solcher Wucht gegen die Klippen, dass man das Donnern der Brandung noch oben an der Kante bis in die Knochen spueren kann.

gischt-und-donner

Der Mensch gewoehnt sich aber an alles, und nachdem wir stundenlang am Rand der Kliffs entlang richtung Hag's Head gelaufen waren und die Touristenstroeme nachliessen, gewoehnte ich mich sogar an 200 Meter gaehnenden Abgrund, der in schaeumender Brandung endet, zehn Zentimeter neben meinen Fuessen.
Kurz vor Hag's Head waren wir schon vollkommen entspannt.

chritopher-haelt-ein-nickerchen

christian-meditiert

Ich kam zu dem Schluss, dass ich von jetzt an ein gutes Maedchen sein muss, falls die Buddhisten (oder waren's die Hinduisten?) doch Recht haben. Ich muss Karmapunkte sammeln, damit ich in meinem naechsten Leben als Moewe an den Cliffs of Moher wiedergeboren werde.

Auf dem Rueckweg fanden wir dann noch eine verfallene Kirche, um deren Mauern Raben kreisten und kraechzten. Einen Friedhof gab es auch und, ganz ehrlich, nachts wuerde ich da nicht allein herumlaufen wollen.

said the raven: nevermore

Auf dem Parkplatz vor der Kirche wurden wir einmal mehr Zeuge des irischen Sinns fuer klare Anweisungen. Ganz ehrlich, nachts wuerde ich da nicht allein illegale Muell abladen wollen, wenn die Polizei dann gar nicht weiss, wieviel Geld sie mir dafuer abknoepfen soll.

3000-oder-1904-61-oder-so

Irland ist aber nicht nur beruehmt fuer seine Landschaft, seine Kirchen und seine irrefuehrende Beschilderung, sondern auch fuer seine fetten Einhoerner. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass sie ihre Hoerner per Magie vor den Augen der Oeffentlichkeit verbergen, sich auf Weiden stellen und sich von dummen Touristen fuettern lassen, die denken, das waeren Pferde.
Dass sie in Wirklichkeit aber Einhoerner sind, erkennt die Fachfrau daran, dass sie nicht stinken. Ein normales Pferd stinkt, aber ein Einhorn verbreitet lediglich einen ganz schwachen olfaktorischen Schimmer von Lotusblueten. Wenn man genau hinriecht.

Mich jedenfalls koennen sie nicht taeuschen.

irland ist ja beruehmt fuer seine verfressenen einhoerner

Samstag, 16. September 2006

W.B.Yeats: The Stolen Child

(hier noch mal das Gedicht in voller Länge)

Where dips the rocky highland
Of Sleuth Wood in the lake,
There lies a leafy island
Where flapping herons wake
The drowsy water-rats;
There we've hid our faery vats,
Full of berries
And of the reddest stolen cherries.
Come away, O human child!
To the waters and the wild
With a faery, hand in hand,
For the world's more full of weeping than you can understand.



Where the wave of moonlight glosses
The dim grey sands with light,
Far off by furthest Rosses
We foot it all the night,
Weaving olden dances,
Mingling hands and mingling glances
Till the moon has taken flight;
To and fro we leap
And chase the frothy bubbles,
While the world is full of troubles
And is anxious in its sleep.
Come away, O human child!
To the waters and the wild
With a faery, hand in hand,
For the world's more full of weeping than you can understand.



Where the wandering water gushes
From the hills above Glen-Car,
In pools among the rushes
That scarce could bathe a star,
We seek for slumbering trout
And whispering in their ears
Give them unquiet dreams;
Leaning softly out
From ferns that drop their tears
Over the young streams
Come away, O human child!
To the waters and the wild
With a faery, hand in hand,
For the world's more full of weeping than you can understand.



Away with us he's going,
The solemn eyed:
He'll hear no more the lowing
Of the calves on the warm hillside
Or the kettle on the hob
Sing peace into his breast,
Or see the brown mice bob
Round and round the oatmeal-chest.
For he comes, the human child!
To the waters and the wild
With a faery, hand in hand,
From a world more full of weeping than he can understand.

Montag, 11. September 2006

connemara

Connemara ist eine Gegend an der Westkueste Irlands und von Galway aus gesehen gleich um die Ecke.
Zum Glueck hat Christopher, einer meiner Mit-Bamberger hier, ein Auto, mit dem man an einem Sonntag sehr entspannt durch Connemara cruisen kann. Zu viert teilten wir uns das Benzin: Christopher, der Autobesitzer, Christian, mein Mitbewohner, Alex, eine BWL-Studentin aus Goettingen, und meine Wenigkeit.

Unsere Fotoapparate standen nicht still.

In Connemara gibt es ja ueberall Berge, die so an die 800 Meter hoch werden. Der fundamentale Unterschied zu deutschen Bergen besteht darin, dass keine Baeume auf ihnen wachsen.

berg, zieh dir halt was an!

Ausserdem liegt Connemara ja am Meer, und dank brandheisser Insider-Informationen meiner irischen Spezis fanden wir auch gleich den schoensten Strand Connemaras, wenn nicht Irlands.

nur die harten kommen in den garten

der schoenste strand irlands

Dass direkt hinter dem Strand gleich ein Friedhof liegt, gab mir zu denken ueber hygenische Verhaeltnisse in diesem Land und ermutigte mich gleichzeitig, die irische Staatsbuergerschaft anzunehmen, damit ich mich da beerdigen lassen kann. Genau da. Mit einem keltischen Kreuz und Blick auf den Atlantik.

Der Strand bot aber nicht nur Friedhoefe, sondern auch Duenen, in denen man super lauern kann.

wehe allen geldbeuteldieben, die jetzt hier vorbeikommen!

Aber alles Lauern hat einmal ein Ende, und wir zogen weiter durch eine Gegend, in der man nur mit Hunden, Schweinen und Touristen Englisch spricht und ansonsten immer Gaelisch.

Haette ich doch nur die 50 Euro fuer den Sprachkurs hingeblaettert.

Wir haben uns aber trotzdem ganz toll zurecht gefunden.

dritte schafweide links

Schafe gibt es massenhaft in Connemara. Sie haben schwarze Beine, schwarze Gesichter und Hoerner, und ihre Lieblingsbeschaeftigungen sind: Weiden, Bloeken und mitten auf der Landstrasse herumlaufen.

2006-09-10-Connemara-069

In einem Dorf, dessen Namen ich immer vergesse, fand sogar ein Schafmarkt statt. Dabei werden die Boecke an den Hoernern gepackt, und ein Preisrichter greift ihnen an die Kloeten. Daraufhin wird der praechtigste Bock des Dorfes gewaehlt.
Bei Christian und Christopher weckte das unangenehme Erinnerungen an ihre Bundeswehr-Musterung.

ich nehme das im karierten hemd

Praechtiger Bock, praechtiges Dorf.

bei schafmarkt ist hier die hoelle los

Und noerdlich von Kilarey Fjord, dem einzigen Fjord Irlands, gibt es einen extrem schoenen Wasserfall, der fuer unseren Mut und unser Schuhwerk eine angemessene Herausforderung darstellte.

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Ausserdem gibt es da Elfen. Ich fress einen Besen, wenn es da keine Elfen gibt.

Versteh einer die Iren.

Um die Iren zu verstehen, muss man mit ihnen reden, muss ihr Land anschauen und man muss vor allem ihre Filme anschauen.

Deswegen hab ich mir letztes Wochenende The Wind that shakes the Barley angesehen, und dieses Wochenende gab es The Magdalene Sisters.
Beide spielen in Irland im 20. Jahrhundert, und beide sind furchtbar traurig.
Dabei denkt man, wenn man an Irland denkt, doch meistens an froehliche und betrunkene Menschen, die singen und tanzen und die Fiedel spielen, und das stimmt ja auch. Die Iren sind oft und gern betrunken und froehlich, und Musik machen koennen sie auch. Das weiss ich umso besser, seit ich direkt ueber einem Pub wohne.
Aber wenn man ihre Filme ansieht, sind sie furchtbar traurig, zumindest die, die ich bisher gesehen habe.
Und wenn Steve seine 15 bis 20 Guiness hat, dann legt er seinen Kopf auf die Tischplatte und jammert, dass es mit Irland zu Ende geht und dass der Kapitalismus schaffen wird, was die Englaender nie geschafft haben, und dass er jetzt sterben will, jetzt sofort.

Lasst euch also nichts erzaehlen ueber die lustigen Iren.

Ich habe geweint, als ich "The Wind that shakes the Barley" gesehen hatte.
Erst draussen vor dem Kino, als meine Traenen getrocknet waren und ich mir endlich meine ersehnte Zigarette anzuenden durfte - zu Heinrich Boells Zeiten wurde in irischen Kinos noch geraucht, ich bin zu spaet geboren - erst dann also bemerkte ich, dass ausser uns (Christian, Christopher und mir) noch ein paar andere deutsche Austauschstudenten im Kino gewesen waren, um sich denselben Film anzusehen.
Wir sagen hallo und reden ueber den Film.
Jeder versucht, nicht allzu deutlich durchblicken zu lassen, wie wenig Ahnung er ueber den historischen Hintergrund des Films hat. Ich fuer meinen Teil weiss nur, dass die Englaender Irland besetzt hatten und die Iren waehrend des Ersten Weltkriegs, als die Englaender abgelenkt waren, eine Revolution anzettelten. Eine Menge Leute wurden erschossen, es ging ein paar Jahre hin und her, bis die irischen Politiker mit den englischen Politikern einen Vertrag schlossen, der Suedirland ein bisschen Unabhaengigkeit zugestand, Nordirland aber weiterhin an die englische Krone band.
Seitdem gibt es eine Menge Aerger, weil die Iren natuerlich eigentlich richtig frei sein wollten und nicht nur ein bisschen.

Dieser kleine, bebrillte Schwabe mit dem Sepultura-T-Shirt steht auch vor dem Kino, waehrend ich meine lang ersehnte Zigarette rauche und mich zu erinnern versuche, was ich bei der Fuehrung durch das Dubliner Gefaengnis noch mal alles gehoert hatte, was mit der irischen Revolution zusammenhing.
Der Schwabe sagt: "Ei weisch, man muss des auch von der anderen Seite sehn."

Wie bitte?

"Der Film hat die irischen Revolutionaere scho ei bissle hochschtilisiert. Wenn sich so ein irischer Nationalist den Film anschaut, der fuehlt sich doch nur beschtaetigt. Also ich find, man muss bei dem Ganzen auch die englische Seite seh."

Die englische Seite? Meint der kleine Schwabe etwa, der Film solle doch bittschoen Mitgefuehl zeigen fuer die armen Englaender, die ja einen Teil Irlands wieder an die Iren abtreten mussten und die irischen Bauern danach nicht mehr so schoen ausbeuten konnten wie zuvor? Die englische Seite?!?

Ich schweige, ziehe an meiner Zigarette, das Grauen verschlaegt mir die Sprache.

Das Grauen, so eine typisch deutsche Meinung aus dem Mund dieses kleinen Schwaben zu hoeren, dieses alberne Beharren auf political correctness, auf OBJEKTIVITAET, und das in bezug auf einen Film, der ueberhaupt nicht objektiv sein will.
Diese alberne deutsche Angst vor einer Sichtweise, die nationalistisch ausgelegt werden koennte, diese ewige Nazi-Angst, die soweit fuehren kann, das man sich ploetzlich dabei ertappt, wie man Imperialisten, die ein anderes Volk unterdruecken, gegenueber den Revolutionaeren dieses unterdrueckten Volkes in Schutz nimmt.

Natuerlich bin ich nicht objektiv, verdammt. Natuerlich identifiziere ich mich mit den Iren, wenn ich ihre Filme anschaue. Wenn ich objektiv haette sein wollen, waere ich zuhause geblieben.

Ich versuche, diese typisch deutsche Angst nicht zu haben: die Angst, eine Meinung zu haben.

Ei weisch.

Was ich allerdings nie koennen werde, ist, die katholische Kirche so zu hassen, wie die Iren sie im Moment hassen. Erstens bin ich nicht katholisch, und zweitens stamme ich nicht aus einem Land, dass sich jetzt erst von der Bevormundung durch die Kriche emanzipiert. Bis in die 90er Jahre des 20. Jahrhunderts hinein waren homosexuelle Akte und Ehescheidungen in Irland per Gesetz verboten.
Bis in die 90er Jahre des 20. Jahrhunderts hinein gab es in diesem Land von Nonnen gefuehrte Waeschereien, in denen sich "Suenderinnen" durch lebenslange, natuerlich unbezahlte, harte Arbeit von ihren "Suenden" reinwaschen konnten. Diese "Suenden" bestanden darin, ein uneheliches Kind zu haben, vergewaltigt worden zu sein oder einfach zu huebsch auszusehen.

Und genau davon handelt der Film, den ich mir dieses Wochenende angeguckt habe: The Magdalene Sisters, zu deutsch "Die Unbarmherzigen Schwestern".

Bei diesem Film hab ich nicht geweint, was aber vielleicht auch daran lag, dass ich ihn mit Christian zusammen auf DVD geguckt habe und nicht im Kino.
Danach bin ich noch auf einen Poetry Slam gegangen, mit Verspaetung zwar, aber doch. Und gerade, als ich mich leise in die Weinbar schlich, in der der Slam stattfand, trug die von mir so verehrte irische Poetin Trish Casey vor.
(ja, das ist die auf dem Bild :-)

Sie singt, wenn sie dichtet. Und sie wirft gruene Blaetter von heiligen Baeumen auf ihre Zuhoerer. Und all ihre Gedichte an diesem Abend hatten nur einen Inhalt:
ihre Wut auf die katholische Kirche, die Jungfrauen und Muetter liebt, aber Frauen hasst.

Am naechsten Tag, Samstag, war ich mit Anna und den Jungs im Roisin Dubh.
"Roisin Dubh" bedeutet "Schwarze Rose" und avanciert so langsam zu meiner Lieblingskneipe in Galway, denn dort gibt es feine Live-Musik, leckeres Bier und eine Dachterasse, auf der man sogar rauchen darf.
Auf dieser Dachterrasse sass ich also am Samstag mit Anna und den Jungs, rauchte und guckte Leute.
Eine blonde Frau am Nebentisch kam mir ausgesprochen bekannt vor. Nur dass ihr Haar schwarz war, als ich sie zuletzt sah.

nora-jane

Es war Nora-Jane Noone, ihres Zeichens Schauspielerin, gebuertig 1984 in Galway, Irland. Und ich hatte sie zuletzt am Abend zuvor gesehen, naemlich in der Hauptrolle von "The Magdalene Sisters".

Ich schubse Christian, guck mal, die schaut aus wie... ne, das ist die... ich geh jetzt hin und frag.
Christian steht auf und geht rueber zu ihr, unterhaelt sich eine Weile, Nora-Jane laechelt.

"Sie ist es wirklich!" verkuendet Christian, als er an unseren Tisch zurueckkehrt, "und als sie gemerkt hat, dass ich kein Stalker bin, war sie sogar richtig nett."

Dienstag, 5. September 2006

vivat academia, vivat professores

die uni hat angefangen. heute morgen musste ich das erste mal aufstehen, um rechtzeitig in der uni zu sein. ich befuerchtete schon das schlimmste: primitive und zum gaehnen langweilige first-year-seminare auf kollegstufenniveau, oder noch schlimmer: unverstaendlich halbgaelisch nuschelnde professoren mit dicken roten nasen, die es mir unmoeglich machen, dem vorlesungsverlauf zu folgen.
so war es bisher nicht, gottlob. sogar das philosophieseminar ueber deutschen idealismus, das ich aus reinem uebermut belegt habe, war nicht nur absolut verstaendlich, sondern scheint sogar etwas zu bringen. eigenartig, sich von einer irischen dozentin was ueber deutsche philosophie anzuhoeren. die weiss mehr als ich. verdammt.

in der mittagspause kaufte ich mir so eine komische telefonkarte, die billige tarife ins ausland versprach. die frau, die mir die karte verkaufte, wirkte so gestresst, dass ich mich nicht fragen traute, ob diese karten fuer muenzfernsprecher oder fuer handys gedacht sind. fuenf minuten spaeter stand ich etwas ratlos vor einem oeffentlichen telefon, die es auf dem campus in rauen mengen gibt, kramte meinen geldbeutel aus dem rucksack und die karte aus meinem geldbeutel und drueckte hilflos auf den tasten herum. das telefon protestierte tutend und weigerte sich, irgendwas zu machen, ohne dass muenzen eingeworfen wurden.
also handy. das war gut, denn mit dem handy konnte ich irgendwo telefonieren, wo es ruhig war und nicht dauernd irgendwelche schnatternden siebzehnjaehrigen maedels in milimeterkurzen roeckchen an mir vorbeistoeckelten.

ich fand einen leeren seminarraum mit blick auf den fluss und rief meine eltern an.
nach einigem wie-geht-es-euch-mir-geht-es-gut-smalltalk begann ich, nach meinem geldbeutel zu kramen, weil mein vater meine irische bankverbindung haben wollte. kramte und smalltalkte weiter. raeumte den ganzen rucksack aus, immer noch smalltalkend. leerte den rucksack vollstaendig auf den boden aus, raeumte ihn wieder ein. kein geldbeutel.

"aeh, ich ruf gleich nochmal zurueck" in den hoerer gestammelt, aufgelegt und wie eine furie durch die gaenge der universitaet geraset, mehrere gruppen von schnatternden siebzehnjaehrigen auseinanderscheuchend.
vor den muenzfernsprechern in einer bremsspur zum stehen gekommen.
kein geldbeutel.
nicht auf dem boden, nicht auf den telefonen.
natuerlich war ALLES in diesem geldbeutel, kreditkarte, studentenausweis, personalausweis, um gottes willen.

angefangen, leute zu fragen, ob sie einen braunen geldbeutel gesehen haben. keiner hatte ihn gesehen, aber einer sagte, ich solle doch im pfoertnerbuero fragen, da wird sowas normalerweise abgegeben.

im pfoertnerbuero sitzt kein rothaariger pfoertner mit einer dicken roten nase, sondern eine huebsche junge dunkelhaarige frau - wie meine "german idealism"-dozentin, die auch so huebsch und dunkelhaarig ist.

ein brauner geldbeutel, ja. dick, mit einer schnur drumrum. wie ist ihr name? ok.

die huebsche dunkelhaarige steht auf, tippt einen PIN-code in eine tresortuer und reicht mir meinen geldbeutel.
bitteschoen.

alle engel des himmels singen "gloria in excelsis deo" in meinem kopf, waehrend ich glueckselig in mein telefonierzimmer zuruecktaumle und meine eltern nochmal anrufe. alles in ordnung, ja.
erst als ich auflege, komme ich auf den gedanken, den geldbeutel mal aufzumachen, um zu gucken, ob was fehlt.
perso ist noch da, kreditkarte, studentenausweis, deutsch und irisch, und... das geld ist weg. ich hatte extra viel auf einmal abgehoben, weil das von meinem deutschen konto ja gebuehren kostet, und jetzt ist es weg.
futsch.

gollum

the thieves! the thieves! the filthy, filthy thieves! they sssstole it from us, my precious! gollum!

geifernd krieche ich durch die gaenge. die gruppen kichernder siebzehnjaehriger wuerdigen mich keines blickes, scheinen mein wuetendes zischeln kaum wahrzunehmen. immerhin bin ich in einem land, in dem es massenhaft elfen gibt, und wer weiss, was noch. da faellt ein gollum mehr oder weniger auch nicht auf.

ich finde den dieb. ich werde ihn finden, wer auch immer das war, und dann werde ich ihm den arsch aufreissen, so wahr mir gott helfe.

die frau im pfoertnerbuero weiss nicht mehr, wie der typ aussah, der den geldbeutel abgegeben hat. hier kommen taeglich so viele leute rein, laechelt sie entschuldigend. ich erklaere ihr, dass mein geld fehlt, und sie sagt oh, that's terrible.
das ist es, wahrlich.
sie weiss nicht mehr, wie der typ aussah, aber er hatte den geldbeutel auf dem klo gefunden, haette er gesagt.

panel-sherlock-painting

ich setze meine karierte muetze auf und zuende mir erstmal eine pfeife an.
auf dem klo, soso.
das letzte mal, dass ich heute auf dem klo war, war heute morgen in meiner wohnung. der dieb kann jedoch unmoeglich in meine wohnung eingedrungen sein, um den geldbeutel von meinem klo zu stehlen, denn in der uni hatte ich den geldbeutel ja noch. das letzte mal, dass ich den geldbeutel bewusst in der hand gehalten hatte, war, als ich diese komische telefonkarte in dem shop auf dem campus gekauft habe. ich hatte mit einem 50-euro-schein gezahlt, die gestresste verkaeuferin koennte also bezeugen, dass viel geld in dem geldbeutel war.
seit ich die telefonkarte gekauft hatte, war ich nicht mehr auf dem klo gewesen.
derjenige, der den geldbeutel im pfoertnerbuero abgegeben hatte, war also, wenn er die wahrheit gesagt hat und den geldbeutel tatsaechlich auf dem klo gefunden hat, nicht derjenige, der ihn urspruenglich gefunden hatte.
vermutlich hatte ich den geldbeutel bei meinem vergeblichen versuch mit dem muenzfernsprecher dort liegen lassen, denn vom den shop, wo ich die karte gekauft hatte, war ich direkt zum telefon gegangen.

paff, paff.

kombiniere: derjenige, der den geldbeutel als erster gefunden hat, hat ihn mit aufs klo genommen, dort das geld rausgenommen und ihn dort liegen lassen. jemand anders hat den leeren geldbeutel dort gefunden und seinen ethischen grundsaetzen getreu zum pfoertnerbuero gebracht.
vermutlich war er idealist, vielleicht sogar deutscher. auf jeden fall hat er kant gelesen.
wir haben also einen dieb und einen pflichtethiker, und von beiden weiss ich nur, dass sie wahrscheinlich maennlich sind, denn der pflichtethiker war laut aussage der pfoertnerin ein mann, hat den geldbeutel also wahrscheinlich auf dem maennerklo gefunden.

tja. bei der masse von leuten, die hier herumrennt, ist es voellig aussichtslos, mit diesen mageren informationen einen von beiden zu finden. aussichtslos fuer die gardai, die immer so beleidigt sind, wenn man sie als "policemen" bezeichnet, und aussichtslos sogar fuer mich, die ich ueber eine brillante kombinationsgabe, weibliche intuition und einen eklatanten mangel an mitleid mit dreckigen, dreckigen dieben verfuege, gollum.

Mittwoch, 30. August 2006

zuhause machen

am montag also war es soweit: christian, mein neuer lieblingsmitbewohner, und ich, sind in ein superschnuckliges apartment in der innenstadt von galway gezogen.
dabei mussten wir feststellen, dass die iren ungern putzen, aber umso lieber haeuser bemalen.

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das tiefkuehlfach war komplett zugeeist. christian hat stundenlang mit einem eispickel darauf eingeschlagen, um daraufhin eine entdeckung von archaeologischer qualitaet zu machen: eine halbvolle flasche smirnoff ICE!

mein neuer mitbewohner und der typ, der ihn im tiefkuehlfach gefunden hat

jetzt hab ich nicht nur schnaps, einen tollen mitbewohner und ein haus, wo ein drache draufgemalt ist, nein, ich habe auch eine rote wand und schwarze ledersessel im wohnzimmer.

so sehe ich aus, wenn ich postkarten schreibe.

einbrecher und verehrer haben es jetzt bei mir so leicht wie nie. ich hab jetzt naemlich eine feuerleiter, einen regelrechten metallbalkon vor meinem schlafzimmerfenster, wo man auch runtergucken kann.

und das sieht man dann

und das ist dann der blick vom balkon.

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