Freitag, 29. Dezember 2006

zwischen den jahren

Eben hab ich eine E-Mail an das English Department der Uni Galway geschickt und mich bitter geschämt, weil mein Englisch schon wieder rapide den Bach hinuntergeht.
Seit anderthalb Wochen bin ich jetzt wieder in Deutschland, aber es fühlt sich an wie mindestens drei Wochen.
Gleich, als ich ankam, hatte ich gleichzeitig das Gefühl, nie weggewesen zu sein UND das Gefühl, mindestens zwanzig Jahre weggewesen zu sein und überhaupt nichts mehr wiederzuerkennen. Lustigerweise erwartet mich genau dasselbe seltsame Doppelgefühl, wenn ich im Januar- nächstes Jahr- wieder nach Galway zurückkehren werde. Eine Zeitlang im Ausland zu wohnen bringt wohl zwangsläufig eine gewisse Schizophrenie mit sich: egal, wohin ich gehe, ich gehe immer nachhause und von zuhause weg.
Und Dinge ändern sich, und andere Dinge bleiben gleich.

Wenn ich nach Galway zurückkehren werde, wird nicht mehr Christian in meiner Wohnung wohnen, sondern John, der Mann aus Tipperary (über ihn dann mehr!).
Als ich nach Schweinfurt zurückgekehrt bin, wohnten meine Eltern in einem anderen Haus und zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich ein Weihnachten in einer anderen Kirche, und zum ersten Mal war ich diesmal nicht die Tochter des Pfarrers dieser Kirche. Keine älteren Damen kamen zu mir, kniffen mich in die Backe und sagten, wie sie sich noch erinnern könnten, wie ich als Zweijährige nackt in ihrem Garten herumgekrochen bin, ach, als wär es gestern gewesen.
Es war nämlich nicht gestern.
Und als ich hierher kam, wo ich jetzt in diesem Augenblick sitze, nach Bamberg nämlich, in mein "richtiges" Zuhause, da hatten sie die Luitpoldbrücke endlich fertig. Das mit der Brücke wusste ich zwar schon vorher, aber jetzt bin ich tatsächlich über die Brücke gegangen und weiß noch nicht recht, was ich von ihr halten soll: ob sie für eine Kleinstadt wie Bamberg wirklich zu metropolitisch aussieht, oder ob Bamberg sich dieses Selbstbewusstsein nicht doch irgendwie leisten kann.
Die Brücke ist zweifellos größenwahnsinnig, aber Größenwahn ist doch irgendwie sexy. Und wenn er nicht ganz ernstzunehmen ist, kann Größenwahn sogar liebenswert sein, und das gilt sowohl für Menschen als auch für Städte.

Andere Dinge haben sich aber gar nicht geändert in Bamberg.
Das Odeon und das Lichtspiel gibt es gottlob noch - bei denen hab ich immer ein bißchen Angst, dass sie kaputtgehen könnten. Jetzt haben die ja sogar schon einen Verein, und Stuhlpatenschaften kann man übernehmen - Stuhlpatenschaften für Kinosessel! Einerseits rührend, dass so viele Menschen sich anstrengen, um die Kinos zu erhalten, andererseits bedenklich, dass sie das überhaupt nötig haben.
Und die Stolpersteine gibt es auch noch, von denen hab ich jetzt sogar ein paar neue entdeckt.
Und das leckere Bier gibt es auch noch, und meine Stamm-Dönerstände.
Und die Menschen gibt es auch noch, und zwei sind innerhalb Bambergs umgezogen.
Stefans neue Wohnung hab ich schon gesehen und für gut befunden.
Und meine WG, in der ich dreineinhalb Jahre lang gewohnt habe, gibt es nicht mehr.
Aber Sabines Wohnung gibt es noch, und in der sitze ich gerade, und aus den Lautsprechern klingt "La Maison oú j'ai grandi" von Francoise Hardy.

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

auf wiedersehen, irland
hirnklatsche - 18. Apr, 17:43
Nur noch neun Tage? Ui,...
Nur noch neun Tage? Ui, ich hatte irgendwie abgespeichert,...
JanSchmidt - 12. Apr, 02:46
vorvorvorletzter blogeintrag...
Noch 9 Tage werde ich in diesem schoenen Land verbringen,...
hirnklatsche - 11. Apr, 15:27

Lesenswert

Terry Eagleton
The Truth About the Irish


Heinrich Böll
Irisches Tagebuch

W.B.Yeats
Fairy Tales of Ireland



Zadie Smith
White Teeth

Patrick Marber
Closer

Jasper Fforde
The Eyre Affair


Charles Dickens, Latif Doss
Great Expectations

Anne Chambers
Granuaile

Pat O'Shea
The Hounds of Morrigan

Suche

 

Status

Online seit 6852 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 18. Apr, 17:43

Credits


Profil
Abmelden
Weblog abonnieren